Klingenschliff: Aufbau eines Outdoor Messers IV

Teil VI meiner Serie Aufbau eines Outdoor Messers. In diesem geht es um den Schliff. Ähnlich der Klingenform entscheidet der Klingenschliff über den praktischen Einsatz des Messers.

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Der vierte und vorletzte Teil meiner Serie Aufbau eines Outdoor Messers. In diesem geht es um den Schliff. Dieser hat – ebenso wie Erl und Klingenform – extremen Einfluss auf die Charakteristik der Klinge. Etwa auf deren Schärfe sowie Schneidfreudigkeit. Aber auch auf die Stabilität der Klinge. Die Faustregel ist übrigens simpel: Je dünner die Schneide, desto weniger Kraft brauchst du zum schneiden. Prompt folgt das Aber: Je dünner die Schneide, desto empfindlicher ist die Klinge. So neigt diese eher zu Ausbrüchen, du musst daher öfter schleifen.

Carbonstahl oder pulvermetallurgisch hergestellter Stahl erlauben übrigens mehr Schärfe als ein grobgefügiger rostfreier Stahl. Weil diese einen feineren (= schärferen) Schliff versprechen. Davon ab bestimmt der Schneidenwinkel den Einsatzzweck des Messers. Ein Winkel von 12 bis 15 Grad ist gut zum schneiden und typisch für Taschenmesser, Fahrtenmesser und Bushcraftmesser. Soll das Messer jedoch für grobe Arbeiten wie Batoning taugen, ist ein Winkel von 15 bis 20 Grad besser. Zum Vergleich: Eine Axt hat einen Winkel von über 20 Grad.

So viel zur Theorie. Typisch für Outdoormesser sind…

Der Flachschliff: gut zum schneiden

Der Flachschliff – auch Keilschliff, europäischer Schliff oder (englisch) Flat Grind – zeigt im Querschnitt eine V-Form. Die Klinge wird also vom Messerrücken zur Schneide hin immer dünner. Oft ist der Schliff mit einer Sekundärfase und somit einer kurzen Keilschneide versehen. Diese macht die Klinge stabiler.

Pro: Der Keilschliff ist sehr scharf, womit er gut schneidet. Entsprechend kommt der Schliff oft bei Gebrauchsmessern zum Einsatz. Zum Beispiel beim Küchenmesser. Aber auch beim Jagdmesser und Outdoormesser. Mit einer Sekundärfase ist der Schliff zudem leichter nachzuschärfen. Im Fazit ist der Flachschliff ein guter Kompromiss aus Schärfe und damit Schneidfreudigkeit sowie Stabilität.

Kontra Flachschliff: Für grobe Arbeiten wie Batoning oder Hacken taugt der Schliff weniger. Zum einen, weil wegen der V-Form die Stabilität der Klinge leidet. Zum zweiten, weil die Klinge wegen der großen Kontaktfläche schnell verkeilt.

Vorteile Flachschliff
sehr gut zum schneiden
leicht nachzuschärfen
typischer Allrounder

Nachteile Flachschliff
nur bedingt für grobe Arbeiten tauglich

Der Scandischliff: Der fürs Grobe

Der Scandischliff (englisch Scandi Grind) ist dagegen der Schliff fürs Grobe. Damit ebenfalls recht häufig für Outdoor-, Bushcraft- und Jagdmessern. In Skandinavien – Stichwort Puuko – ist der Scandi-Schliff sogar Tradition. Bekannt ist der Scandischliff daher auch als nordischer Schliff.

Der Querschnitt des Scandi-Schliffs zeigt jedenfalls in der oberen Hälfte der Klingenhöhe ein Rechteck. Erst nach 50 bis 75 Prozent geht die Klinge in den Schneidenwinkel über. Mitunter besteht der Scandischliff sogar nur in der Mikrofase. In diesem Fall ist (im englischen) von einem True Scandi Grind die Rede. Ansonsten von einem Scandi Grind to Zero.

Für den nordischen Schliff spricht jedenfalls die Keilwirkung und die Stabilität der Klinge. So spaltest du Holz – Stichwort Batoning – fast wie von Zauberhand. Auch schnitzen kannst du mit dem Scandi gut. Kurzum: Der Scandischliff ist optimal für Holzarbeiten. Bei feineren Arbeiten wie dem Hobeln von Feathersticks kannst du den gesamten Schneidenschliff als Führung nutzen. Außerdem ist der Schleifwinkel leicht zu kontrollieren.

Auf der anderen Seite hat der nordische Schliff ein paar Nachteile. Beim Schleifen musst du viel Material abtragen. Besonders bei Ausbrüchen (Kerben) in der Klinge. Außerdem taugt der Scandi-Schliff nicht so gut zum schneiden. Das gilt umso mehr, je dicker der Klingenrücken ist.

Vorteile Scandischliff
taugt für grobe Arbeiten (Keilwirkung)
optimal für Holzarbeiten
Schliff hilft als Führung beim Schleifen

Nachteile Scandischliff
hohe Materialabtragung beim Schleifen
nicht optimal zum Schneiden

Der ballige Schliff: Der konvexe Anschliff

Eine ganz anderen Weg geht der ballige Schliff. Dieser ist konvex – im englischen Convex Grind – und damit nach außen gebogen. Ergo rund statt gerade. Das macht Messer und Schneide sehr stabil, womit der ballige Schliff sehr gut für Survival- und Outdoormesser taugt.

Denn der Klingenschliff verspricht eine hohe Stabilität. Damit ist der Schliff ideal zum Hacken und Hebeln. Also für grobe Arbeiten wie Batoning. Zumal der konvexe Schliff weniger zum Verkeilen neigt. Aus diesem Grund haben übrigens Äxte und Beile meist einen balligen Schliff. Dennoch taugt der Klingenschliff zum Schneiden. Wobei hierzu schon etwas mehr Kraft als mit einem Flachschliff nötig ist.

Ein Nachteil ist wiederum, dass du Klinge bei feinen Arbeiten wie Feathersticks nicht frei führen kannst. Weil eine Auflagefläche wie beim Scandischliff fehlt. Außerdem ist das nachschleifen wegen der gegenläufigen Radien nicht einfach. Das machen Flach- und Scandischliff mit ihren gerade Flächen deutlich leichter.

Vorteile balliger Schliff
taugt gut zum Schneiden
taugt für grobe Arbeiten
neigt weniger zum Verkeilen

Nachteile balliger Schliff
keine Auflagefläche bei feinen Arbeiten
Schleifwinkel schwer zu treffen

Der Hohlschliff oder Konkavschliff

Der Hohlschliff (Hollow Grind) ist das Gegenteil vom balligen Schliff. Sprich: Der Klingenschliff ist konkav und somit nach innen gewölbt. Typisch ist dieser Konkavschliff vor allem für Rasiermesser, mitunter auch Taschenmesser und Jagdmesser.

Vorteile hat der Hohlschliff jedenfalls zwei. Erstens verspricht der Klingenschliff eine sehr hohe Schneidfreudigkeit. Weil die Klinge dünn und spitzwinkling ist. Daher superscharf. So sind besonders sehr feine Arbeiten kein Problem. Zweitens ist der Schliff leicht nachzuschärfen, weil du nur wenig Material abtragen musst.

Den zwei Pluspunkten stehen jedoch drei Minuspunkte gegenüber. Zum einen leidet aufgrund des konkaven Schliffs und der daher dünnen Klinge die Stabilität. Entsprechend taugt der Konkavschliff nicht für grobe Arbeiten wie Hacken oder Batoning. Sondern allein für zartes bzw. leichtes Schnittgut. Zum zweiten verklemmt der Schliff ähnlich wie der Flachschliff schnell bei tiefen Schnitten. Weil der ungeschliffene breite Teil die Klinge regelrecht bremst. Zum dritten ist der Schleifwinkel schwer zu kontrollieren. Hier sind Flach- und Scandischliff leichter.

Vorteile Hohlschliff
sehr hohe Schneidfreudigkeit
sehr leicht nachzuschärfen

Nachteile Hohlschliff
recht geringe Stabilität
taugt nicht für grobe Arbeiten
neigt zum Verklemmen
Schleifwinkel schwer kontrollierbar

Der Meißelschliff: anders, weil einseitig

Der Meißelschliff (Chisel Grind) ist für Outdoormesser eher ungewöhnlich, weil einseitig. Dennoch ist der Schliff hierzulande nicht unbekannt. Und zwar für Werkzeuge wie Beitel, Schäleisen oder Gärtnermesser. Daher ist der Meißelschliff bei uns auch als Beitelschliff bekannt. In Japan ist der Schliff hingegen gern in Gebrauch. Zum Beispiel bei der Tantoklinge oder dem kompakten Kiridashi.

Im Fazit ist der Meißel- oder Beitelschliff jedenfalls ein einseitiger Flachschliff. Damit liegt ein Vorteil schon auf der Hand: Die Klinge ist sehr scharf. Außerdem ist die Klinge dank dem Schliff extrem stabil und sehr einfach zu schärfen. Davon ab erlaubt der Schliff präzise Schnitte. Egal ob beim Abspanen von Holz oder beim Schneiden von rohen Fisch, Stichwort Sushi.

Der einseitige Schliff birgt jedoch gleichzeitig den größten Nachteil. Welche Seite der Klinge geschliffen sein muss, bestimmt deine dominante Hand. Als Rechtshänder brauchst du einen rechtsseitigen Schliff, als Linkshänder dagegen einen linksseitigen Schliff.

Vorteile Meißelschliff
sehr scharfe Klinge
hohe Stabilität
einfach zu schärfen

Nachteile Meißelschliff
dominante Hand wichtig

Fazit zum Klingenschliff

Du siehst: Schliff ist nicht gleich Schliff. Der eine ist besonders scharf, taugt aber nicht für grobe Arbeiten. Der andere verleiht der Klinge die nötige Stabilität, schneidet aber eher schlecht. Wie also entscheidest du dich? Ganz einfach: Kauf’ den Schliff, der deinem Bedürfnissen entspricht. Suchst du ein Messer zum kochen, ist der Flachschliff ein guter Rat. Konzentrierst du dich eher aufs Grobe, ist der Scandi deine Nummer eins. Ein balliger Schliff ist wiederum ein Top-Kompromiss. Allerdings verlangt das Schleifen Übung.

Einfach ist die Auswahl also nicht. Wie sind deine Erfahrungen? Poste doch einen Kommentar!

Meinen Dank an boker.de und everknives.de für die ausführlichen Informationen.

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